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Was ist Autismus – und was nicht?

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Pressemitteilung von: Stiftung Liebenau

/ PR Agentur: Stiftung Liebenau Kommunikation und Marketing
Diplom-Psychologe Manfred König von der Stiftung Liebenau stellte geeignete Ansätze vor.

Diplom-Psychologe Manfred König von der Stiftung Liebenau stellte geeignete Ansätze vor.

RAVENSBURG – Was ist Autismus – und was nicht? Wie geht man mit dieser Störung um? Und wie gelingt Betroffenen der Sprung in den Arbeitsmarkt? Themen, die beim 12. Autismus-Fachtag des Kompetenznetzwerkes Bodensee-Oberschwaben auf großes Interesse stießen. Namhafte Referenten sorgten im Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW) der Stiftung Liebenau für ein „Update“ in Sachen Autismus. Im Mittelpunkt standen dabei die Bereiche Diagnostik, Psychotherapie, Pubertät und Arbeit.

Mehr als 260 Teilnehmer

Über 260 Fachtagsteilnehmer aus Nah und Fern konnte Dr. Stefan Thelemann, Leiter des BBW-Fachdienstes Diagnostik und Entwicklung, im vollbesetzten Foyer des Berufsbildungswerks begrüßen. Als eine der großen Herausforderungen bezeichnete er die klare Eingrenzung der Diagnose Autismus vor dem Hintergrund sich wandelnder Kriterien. Hat wirklich einer von 42 Jungen eine Autismus-Spektrum-Störung, wie manche Statistiken behaupten? Prof. Dr. Inge Kamp-Becker, Leitende Psychologin der Klinik für Kinder-und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an der Universität Marburg, bezweifelte nicht nur diese Zahlen. Sie räumte auch auf mit den hartnäckigen Klischees von den prominenten angeblich autistischen Genies. Albert Einstein und Autismus? „Niemals.“

Falsche Diagnosen verhindern

Sowieso seien viele Diagnosen falsch. Das Problem: Verschiedene Einzelsymptome, die in ihrer Gesamtheit als typisch für Autismus gelten, tauchen auch bei anderen psychischen Krankheitsbildern auf. Und so entpuppe sich manche Diagnose bei genauer Betrachtung nicht als das, was Autismus eigentlich ist: eine genetisch bedingte Hirnfunktionsstörung, die sich schon in der frühen Kindheit zeigt. Deshalb müsse man bei der Behandlung älterer Klienten auch „detektivisch in Schul- und Kindergartenberichten“ nach entsprechenden Anzeichen suchen und sich immer fragen: „Was könnte es noch sein?“ Am Ende stehe dann die Erkenntnis: „Autismus ist eine seltene Störung.“ Eine richtige und möglichst frühe Diagnose sei aber wichtig, um mit einem entsprechenden Therapieangebot reagieren zu können.

„Hauptsache, die Menschen haben einen Job“

Ganz individuell gefördert werden junge Menschen mit Autismus – derzeit sind es dort mehr als 110 – im Ravensburger Berufsbildungswerk. Viele von ihnen schaffen mit dieser intensiven Hilfe den Einstieg in den Arbeitsmarkt. Und das ist keine Selbstverständlichkeit. 80 Prozent aller Autisten in Deutschland sollen Schätzungen zufolge arbeitslos sein. Diese Zahl war für Dirk Müller-Remus die Initialzündung zur Gründung des IT-Beratungsunternehmens auticon, das als erste Firma in Deutschland ausschließlich Consultants mit Autismus einstellte und sich dabei deren Spezialinteressen zu Nutzen machte. Die Problematik mit der Zuverlässigkeit der Diagnose sieht auch er. Aus seiner Position heraus sei aber vor allem eines entscheidend: „Hauptsache, die Menschen haben einen Job.“ Deshalb ging er mit dem im vergangenen Jahr ins Leben gerufenen Projekt diversicon, das auch auf Arbeitsplätze außerhalb der IT-Branche abzielt, den nächsten Schritt. Unter fachlicher und sozialer Begleitung werden Menschen, die bisher durchs Raster gefallen sind – Müller-Remus geht von bundesweit 24 000 potenziellen Arbeitskräften aus, schrittweise ins Berufsleben integriert.

Rahmenbedingungen müssen stimmen

„Autismus im Beruf“ – Diesem Thema widmet sich auch Diplom-Psychologin Julia Proft von der Uniklinik Köln. Sie stellte ein Modellprojekt zur beruflichen Integration vor, das schon einige Erfolgsgeschichten hervorbrachte. Wie die eines 39-Jährigen, der sein Studium Autismus bedingt abbrechen musste und es dann über eine Einstiegsqualifizierung zu einer unbefristeten Vollzeitanstellung geschafft hat – seinen Spezialinteressen entsprechend im Archiv eines Unternehmens, unter Vermeidung des von ihm unangenehm empfundenen ständigen Menschenkontaktes.

„Nur drüber reden hilft nicht“

Im Ravensburger BBW wird neben der schulischen, fachlichen und sozialpädagogischen Betreuung auch therapeutisch mit den jugendlichen Autisten gearbeitet, wie Diplom-Psychologe Manfred König berichtete. Wann ist Psychotherapie bei einem Menschen mit Autismus angebracht? „Wenn dieser Leidensdruck und schwerwiegende Symptome aufweist.“ Als Instrumente stehen verschiedene Therapie-, Coaching- und Trainingskonzepte zur Verfügung, zum Beispiel in Form von Rollenspielen. Denn: „Nur drüber reden hilft nicht.“ Es gehe darum, Probleme erfahrbar zu machen und ihre Bewältigung zu erlernen, Ressourcen zu aktivieren und Strategien für den Alltag zu entwickeln. Das alles in einem reizarmen, ritualisierten Umfeld, das auch Ruhephasen vorsieht, stünden diese Menschen doch ohnehin unter Daueranspannung: „Die müssen den ganzen Tag kompensieren.“

Der Berner Psychologe Matthias Huber, selbst vom Asperger-Syndrom betroffen, beleuchtete das Thema Psychotherapie anschließend aus seiner Sicht.

Mit Autismus durch die Pubertät

Wie Jugendliche mit Autismus ihre Pubertät erleben – und zwar so ganz anders als ihre Altersgenossen, das schilderten die Tübinger Ärzte Ulrike Sünkel und Dr. Gottfried Maria Barth. So weiche die Entwicklungskurve dieser jungen Menschen in kognitiver, körperlicher, sozialer und sexueller Hinsicht von anderen ab: „Die sind eigentlich in einer permanenten Zerreißprobe.“ Sie erfüllen die sozialen Erwartungen an sie nicht, immer mehr fällt jetzt das Anderssein im Vergleich zu Gleichaltrigen auf. Diskobesuche und die neuesten Trends finden ohne sie statt, die Klassenfahrt wird zur „Hölle“. Und so laufen junge Autisten auch verstärkt Gefahr, zum Mobbing-Opfer zu werden. Überhaupt sei die Pubertät ja eine Phase großer Veränderungen. „Das Problem ist aber, dass Veränderungen für autistische Menschen extrem schwer auszuhalten sind“, so die Referenten. Und letztendlich sitze der junge Autist „dann in der Ecke und hat das Gefühl, man verliert alles, was einem bisher Sicherheit gegeben hat“. In diesem Zusammenhang könne es auch zu sekundären Störungen wie Depressionen oder Ängsten kommen. Im Umgang mit diesen Menschen müsse man also bedenken: „Die Pubertät ist für viele Autisten die schwierigste Zeit im Leben.“
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