Was wir von Donald Trump lernen können

Er ist das Schreckgespenst einer vernunftgesteuerten Politik – und der Sieger der US-Präsidentschaftswahl. Doch Donald Trump kann noch mehr, meint Volker Weitkamp, Geschäftsführer der Industriewerbeagentur weitkamp marketing.


Er war das „Enfant terrible des US-Vorwahlkampfs“ (Handelsblatt), liefert ein „Schauspiel zum Schaudern“ (DIE ZEIT), seine Ansprache zur Amtseinführung eine „Drohung“ gegen ganz Nicht-Amerika (DER SPIEGEL): Selten einte die Empörung über ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt weite Teile der Welt derart wie im Falle von „The Donald“. Doch so vernunftsbetäubend das Trump’sche Verbalgewitter, so besorgniserregend sein populistischer Aktionismus auch sein mögen: In der allgemeinen Bedrohungsdebatte zieht eine Chance ungenutzt vorüber. Denn: Donald Trump gebührt Lob – wenn nicht unter inhaltlichen, so doch unter strategischen Gesichtspunkten. Entkoppelt von politischen Gesinnungen, ist Trumps Kampagne prädestiniert als Marketing-Lehrstück für Werbetreibende und Unternehmer. Die wichtigsten Lektionen habe ich im Folgenden für Sie zusammengefasst.


1. Gefällig ist unauffällig.
Ohne Aufmerksamkeit keine Wirkung: In der Theorie ist dies dem Gros der Werber und Unternehmer klar. In der Praxis verlieren sich unzählige Kampagnen in ebenso schmerz- wie bedeutungsloser Gefälligkeit. Zu groß im Alltag die Angst, Kunden zu verprellen und dem eigenen Image zu schaden.

Eine Haltung, die Donald Trump komplett fremd sein dürfte: Im farblosen Greige des US-Wahlkampfes war Trump die Konfettikanone; politische Harmoniegesänge durchbrach er mit wehender Mähne und Megaphon-Manier. Seine wohl ausgeprägteste Stärke: die Freiheit von Angst – der Angst, sich unbeliebt zu machen.

Selbstverständlich sollten Unternehmer sich nicht als Axt im Werbewald gerieren. Was indes nicht schadet, ist eine Prise mehr Mut, zum Beispiel, was das Einschlagen neuer Werbewege betrifft.


2. Content ist King (tatsächlich).
Donald Trump und sein Team lassen keine Chance zur Kommunikation aus. Trumps Twitter-Account setzte bisher beachtliche 34.600 Tweets ab – Tendenz stetig steigend (Stand: 13. März 2017). Ob Drohgebärden Richtung Presse oder Great-Again-Gesänge – @realDonaldTrump ist ebenso produktiv wie profan. Durch ihre Quantität und eine für das Politsystem außergewöhnlich niedrige intellektuelle Zugangshürde erreicht die Trump’sche Kommunikation tatsächlich ein Massenpublikum. Auch hier können sich werbetreibende Unternehmen zumindest eine Scheibe abschneiden: Wer Social-Media-Accounts und News-Seiten betreibt, sollte diese kontinuierlich pflegen, wenn nicht mehrfach täglich wie der neue US-Präsident, so doch so regelmäßig, dass er seinen Kunden als präsenter Partner im Gedächtnis bleibt.


3. Erfülle Erwartungen. Und überrasche.
Eine gescheiterte Werbemaßnahme beginnt erschreckend oft mit dem Blick in den Spiegel: Statt die Bedürfnisse der Zielgruppe zu ergründen, kreisen Unternehmen zu häufig um sich selbst. Getreu dem Motto „Was wir alles können“ wird gepostet, geworben und auf mehr Kunden gehofft – die sich indes der weniger selbstzentrierten Konkurrenz zuwenden.

Allem Ego-Kult zum Trotz besitzt Donald Trump ein feines Gespür für seine Wähler: Virtuos bespielte er im Wahlkampf die Marketing-Klaviatur und traf genau die richtigen, weil überraschend anderen Töne für sein politikverdrossenes Publikum. Er versprach Wandel, wo Resignation über den Status quo herrschte, und positionierte sich bewusst außerhalb der verhassten Politelite. Die Lehre in Sachen Werbung: An erster Stelle stehe stets der Blick auf die Zielgruppe und ihre Bedürfnisse. Erwartungen müssen erfüllt werden – bestenfalls mit zündenden Ideen, die die Konkurrenz in den Schatten stellen.


4. Öfter, echter, näher.
Trumps Kampagne war nicht zufällig die erste ihrer Art, in der den Sozialen Medien die Schlüsselposition zukam. Die reine Häufigkeit der abgefeuerten Kommunikationssalven machte kurze Kommunikationswege unerlässlich. Vor allem aber war Donald Trump mehr als jeder andere Kandidat darauf angewiesen, die eigene Authentizität unter Beweis zu stellen: „The real Donald Trump“ musste „echt“ sein, um glaubhaft echten Wandel verheißen zu können. Die Häufigkeit von Trumps Botschaften gepaart mit ihrer für den politischen Diskurs atypischen Einfachheit verfehlte ihre Wirkung nicht.

Das Wahlergebnis vom 8. November 2016 ruft, fern jeder Politdebatte, einen wesentlichen Umstand ins Gedächtnis: Die wichtigste Bezugsgröße für den Menschen ist und bleibt der als glaubwürdig und authentisch erlebte Mensch. Auch wer wirbt, muss sich dies bewusst machen: Selbst das technischste Produkt soll letztlich Menschen überzeugen. Dies funktioniert dann am besten, wenn die Verknüpfung mit einem menschlichen Bedeutungsträger gelingt – sei es ein prominentes Testimonial, ein erfahrener Firmeninhaber oder ein Anwender mit hohem Identifikationswert für die Zielgruppe.


5. Einfach spricht aus dem Herzen.
Vielleicht die wichtigste Zutat des Erfolgsrezepts von Donald Trump ist die gnadenlose Einfachheit, der er sich auf allen Ebenen verpflichtet hat. Einwanderer-Problem? Da hilft ein Mauerbau. Unangenehme Pressefragen? Wer stört, fliegt (wenn nicht aus dem Land, so doch zumindest aus der Pressekonferenz). Auch seine Botschaften bleiben selbst für Menschen mit kürzesten Aufmerksamkeitsspannen handhabbar: „Make America Great Again“ und der dazugehörige Hashtag „MAGA“ höhlen dass kritische Bewusstsein durch schiere Wiederholung aus.

Die KISS-Formel in der Werbung – Keep It Short and Simple (oder auch: Stupid) – fordert schon lange dazu auf, es Trump gleichzutun. Warum also ist Werbung oft verzwirbelt und nähert sich dem Konsumenten von hinten mit der Faust durchs Auge? Auch hier stehen sich Unternehmen oft selbst im Weg. Sie wollen alles von sich zeigen und verlieren dabei das Wesentliche aus dem Blick. Werbung indes muss Kompliziertes einfach machen, wenn sie Kunden überzeugen will. Sie reduziert im Erfolgsfall Komplexität auf ein Minimum und präsentiert dem Konsumenten mit dem beworbenen Angebot sogleich eine optimale Problemlösung.

Abschließend bleibt zu betonen: Unter Aspekten der Aufmerksamkeitsökonomie ist anders immer erstmal besser. Doch nur, wenn Versprechen Taten folgen, wenn User, Konsumenten und Wähler in ihren Bedürfnissen ernst genommen werden, können beständige Bindungen entstehen statt Erfolgsstrohfeuer. Eine Lektion, die für die Werbung gilt. Und die auch Donald Trump in den nächsten Monaten lernen wird ...

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